
Erste Präimplantationsdiagnostik in Österreich erfolgreich durchgeführt
Der Genetiker Dr. Markus Hengstschläger und der Fortpflanzungsmediziner Dr. Wilfried Feichtinger haben erstmals in Österreich erfolgreich Präimplantationsdiagnostik am Polkörper der Eizelle durchgeführt.
Die Ziele der Methode zur Optimierung der künstlichen Befruchtung:
- die Erfolgsrate (Schwangerschaftsrate) zu steigern,
- die Fehlgeburtenrate zu senken,
- das Mehrlingsrisiko zu reduzieren und
- Schwangerschaftsabbrüche nach Pränatal-Diagnostik zu minimieren.
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik, diese Ziele zu erreichen: die Untersuchung des 8-zelligen Prä-Embryos oder die Untersuchung des Polkörpers der weiblichen Eizelle, bevor eine Befruchtung stattfindet.
Die Wahl fiel auf die zweite Methode, obwohl diese technisch weitaus komplizierter ist und das väterliche Genom dabei nicht berücksichtigt wird. Die Polkörperdiagnostik ist in Österreich uneingeschränkt rechtlich erlaubt (siehe: Präimplantationsdiagnostik (PID) – Bericht der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, Seite 19 von 71unter www.bundeskanzleramt.at/2004/11/25/bid_bericht_endfassung.pdf).
Diese Technik setzt vor der Verschmelzung der väterlichen und mütterlichen Genome an. Die Polköperdiagnostik stellt einen sehr guten biomedizinischen Ansatz für das Erreichen der oben beschriebenen Ziele dar.
Möglich wurde die exakte Diagnose durch das Zusammenspiel zweier Wissenschafter mit unterschiedlichem Background. Dr. Wilfried Feichtinger entwickelte bereits vor Jahren einen speziellen Laser, der in der künstlichen Befruchtung verwendet wird und mit dessen Hilfe nun der Polkörper der Eizelle für die Diagnose abgesaugt werden kann. Dr. Markus Hengstschläger ist ein Fachhumangenetiker, der neben seiner grundlagenwissenschaftlichen Tätigkeit große Erfahrung mit der genetischen Diagnostik am ungeborenen Menschen hat.
Der Polkörper ist gewissermaßen ein Abfallprodukt der Eizelle, dessen genetische Zusammensetzung Rückschluss auf das Genom in der Eizelle erlaubt. Die Eizelle selbst wird nicht untersucht und bleibt daher völlig unversehrt. Werden keine Anomalien am Polkörper festgestellt, wird die entsprechende Eizelle weiterverwendet. Eine Geschlechtsbestimmung oder eine therapeutische Behandlung erkrankter Eizellen ist nicht möglich.
Für wen wird die Polkörper-Diagnostik empfohlen?
Im Prinzip für alle Patientinnen, für die die künstliche Befruchtung der letzte Weg zu einem eigenen Kind ist und die
- über 35 Jahre alt sind oder
- bereits mehrere Fehlversuche hinter sich haben.
Österreichweit betrifft das geschätzte 2.000 bis 3.000 Frauen pro Jahr.
Wie die Untersuchung im Detail abläuft:
Die Eizellen werden entweder im Naturzyklus oder nach künstlicher Stimulation zur Reife gebracht und mittels Sonde entnommen. Normale Körperzellen haben jeweils einen doppelten Chromosomensatz angelegt. Zellen für die Fortpflanzung dürfen nur einen Chromosomensatz enthalten (sonst würde bei der Vereinigung von Samen- und Eizelle ein vierfacher Satz entstehen). Bei der weiblichen Eizelle regelt das die Natur so, dass der zweite Chromosomensatz im Polkörper gesammelt wird und für die weitere Zellteilung nach der Befruchtung nicht mehr zur Verfügung steht. Der Polkörper ist gewissermaßen der Abfallkorb mit dem nicht verwendeten Genmaterial. Im Genlabor werden die aus dem Polkörper gewonnenen Chromosomen mithilfe fluoreszierender Farbstoffe detektiert und solcherart in eine nachweisbare Form "übersetzt".
Durchführung der Polkörperdiagnostik bei künstlicher Befruchtung:
Gewinnung von Eizellen und Samenzellen
Am Tag 1: Durchführung der Injektion der Samenzelle in die Eizelle
6–10 Stunden nach Injektion: Entnahme des 1. und 2. Polkörpers
Sofort nach der Entnahme: Beginn genetischer Testung der Polkörper; vor Verschmelzung der beiden Kerne mit väterlichem und mütterlichem Erbgut
Am Tag 2: Besprechung der Ergebnisse der genetischen Testung mit der Patientin und Entscheidung betreffend Transfer der befruchteten Eizellen in die Gebärmutter
Zukunft der Polkörper-Diagnostik
Derzeit erfolgt die Untersuchung auf wissenschaftlicher Basis, das heißt, für die Patienten fallen keine zusätzlichen Kosten an. Die Finanzierung sollte bei den genannten Indikationen durch den IVF-Fonds sichergestellt werden, da in weiterer Folge ja durch den Einsatz der Diagnose Fehlversuche vermieden werden und die IVF dadurch letztlich günstiger wird.